Kommentare 1

ad ACTA gelegt?

Heute ist ACTA-Aktionstag. Gestern konnte man lesen, dass die Unterzeichnung von ACTA in Deutschland – vorerst – vom Tisch sei. Offenbar will die deutsche Bundesregierung erst die Zustimmung des Europaparlamentes abwarten und dann über eine Ratifizierung entscheiden. Das klingt sehr danach, als wolle man lediglich die Verantwortung auf andere abschieben. Eine Entwarnung sieht jedenfalls anders aus. Gerade deshalb gilt es, dranzubleiben! Diese Petition haben – bis heute – beispielsweise schon mehr als 2 Millionen ACTA-Gegner unterzeichnet.

Denn das „Anti-Counterfeiting Trade Agreement“ ist lediglich ein weiterer Versuch sogenannte „Immaterialgüterrechte“ international durchzusetzen. Auch ohne den expliziten Hinweis auf die Paradoxie des Begriffes „Immaterialgut“ im marxschen Sinne, ist ACTA ein Versuch der zum Scheitern verurteilt ist. Warum?

Erstens, zielen alle bereits unternommenen und angekündigten Maßnahmen darauf ab, ein Urheberrecht durchzusetzen, das seine Halbwertszeit – spätestens – mit dem Aufkommen digitaler Produkte und dem massentauglichen Computer längst überschritten hat. Die Differenzierung von Original und Kopie ist im Zeitalter des Digitalen obsolet, denn tatsächlich lässt sich der Urheber eines Werkes nur noch juristisch belegen. Dank der massenweisen Verbreitung von Heimcomputern wird der Kopiervorgang für jeden noch so unbedarften Anwender zum Kinderspiel.

Zweitens, wurden mit dem Aufkommen des Internets, insbesondere aber durch die massenhafte Verbreitung von Breitbandzugängen, die Verteidigung des Urheberanspruchs de facto unmöglich. Das öffentliche Internet ist für die Content-Industrie gleichermaßen Fluch und Segen. Einerseits benötigt man eine möglichst öffentliche Infrastruktur um seine Produkte schnell und günstig massenweise verbreiten, also verkaufen, zu können. Andererseits unternimmt man Versuche, der Offenheit des Netzes durch die Schaffung abgeschlossener, privater Räume, entgegenzuwirken, um so die Kontrolle über die Verbreitung seiner Produkte zu behalten.

Drittens, blieben alle technischen Schutz- und Kontrollinstanzen bei digitalen Produkten wirkungslos. Denn letztlich handelt es sich bei den digitalen Inhalten um nichts anderes als schnöden Binärcode. Das „Problem“ ist eigentlich sehr simpel gelagert: Alles was sich codieren lässt, kann prinzipiell auch wieder entschlüsselt werden. Andernfalls würden digitaler Inhalte ja auch kaum einen Sinn machen. Wozu sollte jemand beispielsweise Software, Musik oder Filme erwerben, wenn er diese daheim nicht anwenden bzw. abspielen kann?

Diese drei Punkte führten schließlich dazu, dass man die gesetzlichen Rahmenbedingungen immer weiter verschärfte. Auf Druck der Industrie, erlassen die politischen Instanzen seit Jahren immer wieder neue Verbote und öffnen die Tore für neue Kontrollmöglichkeiten. Gleichzeitig werden Persönlichkeitsrechte konsequent weiter eingeschränkt.

Das eigentliche Problem wird damit allerdings weder erfasst, noch gelöst. Eine tatsächliche und grundlegende Reform des Urheberrechts ist unausweichlich. Und das impliziert nicht, dass „geistiges Eigentum“, also Wissen, in Zukunft keinen Schutz mehr bedarf. In Deutschland wagt sich auf politischer Ebene – zumindest bislang – noch keine der im Bundestag vertretenen Parteien ernsthaft an das Thema heran. Bislang sind alle Versuche der Auseinandersetzung kläglich gescheitert. Umgesetzte Maßnahmen, wie beispielsweise die „Reform“ des Urheberrechts 2003, demonstrieren lediglich wie sehr „die Politik“ bislang – bewusst oder unbewusst – ausschließlich als Handlanger industrieller Interessensvertreter agiert.

Die tatsächliche Dimension, die eine gesellschaftliche ist, wird dabei völlig ausgespart oder tatsächlich verkannt. Es ist zu befürchten, dass sich daran zumindest vorerst nichts ändern wird. Und auch ACTA wird voraussichtlich nicht ad acta gelegt werden. Bestenfalls wird das Konstrukt nach einer unfreiwilligen Aufschubfrist unter einem neuen Namen aus der temporären Versenkung wiederauferstehen. Damit bleibt das geplante Handelsabkommen nicht mehr als ein weiterer sinnloser Versuch, das Überleben eines überholten Urheberrechts künstlich zu verlängern und den Fokus der dringend notwendigen Diskussion weiter auf die wirtschaftliche Interessen der „Big Player“ zu reduzieren.

1 Kommentar

  1. Pingback: zoom » Umleitung: Tod, Piraten, Sauerland ad ACTA, Griechenland, Religion und Atheisten, Karneval im Nachbardorf, ein Lesetipp und der Flipped Classroom. «

Schreibe eine Antwort


*