Kommentare 1

Den Vogel abgeschossen

vogelabgeschossen

Vogel, abgeschossen. © Daniel Köhne

Wenn dem gemeinen Sauerländer etwas heilig ist, dann ist es sein Schützenfest. Ein Fest mit viel Pils, Blaskapelle, Uniformen, Hofstaat und natürlich einem König. Letzterer wird traditionell über den – mehr oder weniger – gezielten Abschuss eines hölzernen Vogels ermittelt. Nun handelt es sich dabei nicht um ein einfaches Stück Holz, welches irgendwie an ein Vogelvieh erinnern würde. Nein, der Schützenaar ist der Stolz eines jeden Vereins, ein prachtvoll geschnitztes und bemaltes Werk Sauerländer Handwerkskunst von stattlicher Größe. Und genau da drohte ein Problem: Eine neue Richtlinie des Bundesinnenministeriums sah vor, dass die Schützenvögel in Zukunft schrumpfen sollten – auf einen maximalen Baumumfang von 80 Milimenter. Unerhört! Lächerlich!

Der Aufschrei unter den Sauerländer Schützenvereinen war – verständlicherweise – entsprechend laut. Prompt richtete die Junge Union gemeinsam mit CDU-Frontmann Sensburg eine Protestseite auf Facebook ein, der sich in kürzester Zeit hunderte von empörten Sauerländern anschlossen. Man sammelte eifrig Fotos der schönsten Schützenvögel, in trauriger Erwartung darauf, dass man sich zukünftig mit einer lächerlichen Miniaturausgabe an der Vogelstange begnügen müsse. Parallel dazu hieften die Hofberichterstattungsorgane der Konservativen das Thema nahezu tagtäglich auf die lokalen Titelseiten. Das „Happy End“ kündigte sich schließlich durch ein illustres Gruppenfoto mit südwestfälischen CDU-Granden, Mutti und einem stolzen Holzvogel an: Der Sauerländer Schützenaar erhält Bestandsschutz! Basta!

Nun hatten die Autoren beim Verfassen der sogenannten Schießstandrichtlinie mit Sicherheit nicht die Sauerländer Schützenfeste im Blick. Bezogen auf die Volksfeste im Land der tausende Berge wäre die Regelung unzweifelhaft auch ziemlich überflüssiger Blödsinn gewesen – keine Frage. Dennoch ist es doch erstaunlich, wie perfekt die mediale Skandalisierung des Themas gelang. So perfekt, dass der Eindruck entstehen könnte, die ganze Sache sei lediglich eine inszenierte Kampagne für die anstehende Bundestagswahl gewesen. Wenn dem so sein sollte, muss man der CDU neidlos gratulieren: Operation Schützenadler geglückt! Soviel Engagement und Aufmerksamkeit würde man sich zweifellos auch einmal für Sauerländer Themen wünschen, die mindestens genauso wichtig sind – wie wär’s mal mit einer Operation Fracking, Schule oder ÖPNV…?

1 Kommentar

  1. Pingback: Umleitung: Alltag & Revolution, verwaiste Werke, FAZ mahnt Blogger ab, Smartphones starren zurück und mehr … | zoom

Schreibe eine Antwort


*